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  • Abläufe im Ermittlungs- und Strafverfahren

Ablauf des Strafverfahrens

Das Strafverfahren – von der Anzeigeaufnahme bis gegebenenfalls zur Verurteilung - kann sich als ein langwieriges Verfahren erweisen. Aus diesem Grund ist es wichtig sich im Klaren zu sein, was auf Sie zukommen könnte. Im Folgenden möchten wir Sie über die Wichtigkeit, eine Strafanzeige zu erstatten, informieren und Ihnen den Ablauf des Strafverfahrens sowie einige Begrifflichkeiten erklären.

Die Polizei und Staatsanwaltschaft können ihrem Auftrag, eine Straftat zu verfolgen, aufzuklären und zu versuchen, Sie vor weiteren Straftaten zu schützen, nur nachkommen, wenn sie über die Taten informiert werden. Wird keine Strafanzeige erstattet, bleibt die Tat oftmals unentdeckt und die Täterin oder der Täter können nicht ermittelt werden.
Die Täter/Täterinnen werden nicht zur Rechenschaft gezogen, bleiben unentdeckt und können weiterhin Straftaten begehen.

Bitte bedenken Sie:
Insbesondere gegenüber Tätern/Täterinnen aus dem sozialen Umfeld ist die Hemmschwelle zur Strafanzeige hoch.
Minderjährige Opfer können sich nicht selbst für ihre Rechte einsetzen und Hilfe in Anspruch nehmen und benötigen Unterstützung von Erwachsenen.

Deshalb:
Schauen Sie nicht weg und zeigen Sie Mut, indem Sie Straftaten durch eine Anzeige öffentlich machen. So schützen Sie sich und andere!

Sollten Sie sich unsicher sein in Bezug auf eine Anzeigenerstattung, machen Sie sich Notizen zu folgenden Punkten, die für eine spätere Strafanzeige wichtig sind, wie z.B.

  • eigene Beobachtungen
  • Datum
  • Zeit
  • Örtlichkeit
  • wem, wenn nicht Ihnen, ist etwas passiert
  • andere Zeugen und/oder deren Aussagen
  • Gibt es Beweismittel?

Anlaufstellen der Opferhilfe können Ihnen bei Fragen beratend zur Seite stehen. Über diesen Wegweiser gelangen Sie zu dem Bremer Opferhilfesystem.

Die Erstattung einer Strafanzeige ist kostenlos und kann bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht, von Ihnen persönlich oder schriftlich, gestellt werden. Auf unserer Startseite finden Sie weitere Informationen, wo genau Sie eine Anzeige in Bremen erstatten können. Mit einem Klick auf den Polizeistern oberhalb dieser Seite gelangen Sie dorthin.

Sollten Sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, können Sie eine Begleitperson mitbringen, die für Sie übersetzt oder Sie erhalten seitens der Polizei die notwendige Hilfe bei der Verständigung.

Auf Antrag erhalten Sie eine schriftliche Bestätigung Ihrer Anzeige.

Für die Anzeigeerstattung muss zunächst zwischen Offizial- und Antragsdelikten unterschieden werden. Bei Offizialdelikten (z.B. Mord, Totschlag, Raub, schwere Körperverletzung, Sexualdelikte etc.) wird die Straftat vom Amts wegen verfolgt, das heißt, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft, sobald sie von der Straftat erfahren, auch ohne Strafantrag und auch gegen den Willen der geschädigten Person tätig werden.

Gewisse Straftaten, wie zum Beispiel Hausfriedensbruch, Beleidigungsdelikte, und bestimmte Körperverletzungsdelikte werden nur verfolgt, wenn die Geschädigten es ausdrücklich wünschen. Mit der Stellung eines Strafantrags bringen Sie dies zum Ausdruck. Dieser muss binnen drei Monaten ab Kenntnis von der Straftat gestellt werden.

Eine Strafanzeige und Ermittlungsvorgang erhält immer eine individuelle Nummer – das sogenannte polizeiliche Aktenzeichen oder die polizeiliche Vorgangsnummer.
Bei Anzeigenaufnahme durch die Polizei erhalten Sie eine Bestätigung mit dem Aktenzeichen, der angegebenen Tatzeit und dem Tatort sowie dem Delikt, wonach die angezeigte Straftat zuerst von der/dem aufnehmenden Polizeibeamt-in eingeordnet wird.

Dieses benötigen Sie beispielsweise dann, wenn Sie etwas zu Ihrer Strafanzeige nachreichen möchten oder zum Nachweis einer Anzeigenerstattung gegenüber Ihrer Versicherung.
Bewahren Sie deshalb das von der Polizei vergebene Aktenzeichen gut auf.

Nach Abschluss aller Ermittlungen wird der Vorgang an die Staatsanwaltschaft übergeben und erhält dort ein neues Aktenzeichen, das Sie bei Bedarf von der Polizei erfahren.

Sobald die Polizei von einer Straftat erfährt und ein Anfangsverdacht gegeben ist, wird das Ermittlungsverfahren durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft eingeleitet. Ziel des Ermittlungsverfahrens ist, den Sachverhalt zu klären, Beweise zu sichern und den Täter zu ermitteln. Hierfür werden Zeugen und Beschuldigte vorgeladen und polizeilich vernommen.
Je nach Sachverhalt veranlasst die Polizei auf Grundlage der Erkenntnisse weitere Maßnahmen, wie z.B. eine Hausdurchsuchung, erkennungsdienstliche Behandlung, eine Telefonüberwachung oder Einholung von Auskünften.

Es besteht grundsätzlich keine gesetzliche Pflicht, der polizeilichen Vorladung nachzukommen.
Jeder Zeuge/jede Zeugin einer Straftat ist jedoch wichtig! Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind auf die Mitteilung von Beobachtungen angewiesen, um den Tatablauf rekonstruieren, die Tatzeit eingrenzen, Beweise erheben und den oder die Täter/Täterin ermitteln zu können.
Jeder Zeuge/jede Zeugin wird vor der Vernehmung über seine Rechte als Zeugin oder als Zeuge belehrt. Dazu ist die Polizei verpflichtet, und es dient Ihrem eigenen Schutz. Zur Aufklärung gehört, dass man sich nicht selbst belasten muss (Aussageverweigerungsrecht) und auch keine (nahen) Angehörigen (Zeugnisverweigerungsrecht) sowie die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage.

Zu Ihrer Zeugenvernehmung können Sie mit Einverständnis der/des vernehmenden Polizeibeamtin/Polizeibeamten eine Person Ihres Vertrauens, eine psychosoziale Prozessbegleitung oder eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt als Begleitung mitbringen. Lediglich Personen, die in derselben Sache Zeugen sind oder sein können, oder von denen ausgegangen wird, dass sie die Zeugenaussage beeinflussen können, sollen bei Ihrer Vernehmung generell nicht anwesend sein.

Die Staatsanwaltschaft ist die „Herrin des Ermittlungsverfahrens“, sie kann beispielsweise Zeugen erneut vorladen und vernehmen. Anders als bei der polizeilichen Vernehmung müssen Sie einer staatsanwaltschaftlichen Vorladung nachkommen. Sie dürfen nicht unentschuldigt fernbleiben.
Im Ermittlungsverfahren kann auch die Ermittlungsrichterin oder der Ermittlungsrichter Zeugen vorladen und vernehmen. Dem richterlichen Vernehmungsprotokoll kommt eine hohe Bedeutung zu, da es auch in der Hauptverhandlung verwendet werden darf, selbst wenn die Zeugin oder der Zeuge dort nicht mehr erscheinen kann oder sich zu einem späteren Zeitpunkt auf das Zeugnisverweigerungsrecht beruft.

Das Ermittlungsverfahren ist übrigens der maßgebende Abschnitt des Strafverfahrens, da entschieden wird, ob es zu einer Verurteilung kommen könnte.
Nach hinreichender Aufklärung des Sachverhalts, stellt die Polizei einen Schlussbericht, den sie dann an die Staatsanwaltschaft übergeben wird. Nun muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Erkenntnisse zur Tat und der Beweislast ausreichend sind. Es kann also sein, dass das Verfahren mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt wird, beim Strafgericht ein Strafbefehl beantragt oder Anklage erheben muss. Grundsätzlich wird erst Anklage erhoben, wenn Aussicht auf eine Verurteilung besteht.

Einstellung des Verfahrens
Ein Ermittlungsverfahren wird eingestellt,

  • wenn keine Beschuldigte oder kein Beschuldigter ermittelt werden konnte. Sollten sich im Nachhinein neue Ermittlungsansätze ergeben oder Tatverdächtige bekannt werden, kann das Verfahren vor Ablauf der Verjährungsfrist jederzeit erneut aufgenommen werden
  • wenn sich die Unschuld erweist oder das Ermittlungsergebnis nicht genügend Anlass zur Erhebung der Anklage bietet oder die Schuld der Täterin oder des Täters als gering angesehen wird.

Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren gegen eine Beschuldigte oder einen Beschuldigten unter bestimmten Auflagen oder Weisungen vorläufig einstellen,

  • Wenn diese binnen einer gesetzten Frist erfüllt werden – etwa der angerichtete Schaden wiedergutgemacht wird, Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder Arbeit für einen gemeinnützigen Zweck geleistet oder an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen wird – stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig ein. Dies ist nur mit Zustimmung des Gerichts und der Beschuldigten oder des Beschuldigten möglich.

Strafbefehl
Sollte die Staatsanwaltschaft dem Ermittlungsergebnis nach eine Hauptverhandlung für nicht erforderlich halten, beantragt sie einen Strafbefehl. Bei einem Strafbefehl dürfen nur bestimmte Rechtsfolgen der Tat festgesetzt werden. Beispielsweise Geldstrafen, Verwarnungen mit Strafvorbehalt oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr auf Bewährung.

Im Zwischenverfahren entscheidet das Gericht über die Eröffnung der Hauptverhandlung. Diese wird durch die Einreichung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht initiiert. Wird der hinreichende Tatverdacht vom Gericht bejaht, kommt es dann zu einem Eröffnungsbeschluss, die Hauptverhandlung.

Im Rahmen der Hauptverhandlung wird geklärt, ob dem/der Angeklagten ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten angelastet werden kann. Es endet mit einer Verurteilung, einem Freispruch oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung.

Einer Ladung zur Hauptverhandlung müssen Sie in jedem Fall folgen und persönlich erscheinen, unabhängig davon, wenn Sie schon einmal ausgesagt haben und nichts Neues oder Wichtiges zum Verfahren beitragen können.
Ein Fernbleiben kann nur bei dringenden Gründen durch das Gericht entschuldigt werden. Diese sind frühmöglich beim Gericht anzubringen.

Die Zeugenaussage vor Gericht ist keine alltägliche Situation und kann einen beunruhigen, weil man noch nie zuvor mit einer solchen Situation konfrontiert wurde.
In der Regel haben Sie die Möglichkeit, vorab einen Gerichtssaal zu besichtigen und sich die Abläufe näher erklären zu lassen. Opferhilfeeinrichtungen, wie beispielsweise genannt der Weiße Ring, oder die Psychosoziale Prozessbegleitung können hierbei behilflich sein.

Zur Eröffnung der Hauptverhandlung sind alle Beteiligten anwesend: Gericht, Staatsanwalt, Protokollführende, Angeklagte, gegebenenfalls Verteidigung, Geschädigte und sonstige geladene Zeuginnen oder Zeugen. Hinzu kommen gegebenenfalls Nebenklägerinnen oder Nebenkläger mit Rechtsbeistand, die psychosoziale Prozessbegleitung sowie erforderlichenfalls Sprachmittler/Sprachmittlerinnen und Sachverständige.

Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, ohne vorherige Anmeldung an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen.
Eine Ausnahme bilden Strafsachen gegen Jugendliche oder Heranwachsende und Familiensachen. Darüber hinaus kann in Einzelfällen, beispielsweise zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs von Zeugen oder Opfern die Öffentlichkeit auf Antrag der oder des Betroffenen zeitweise durch das Gericht ausgeschlossen werden.

Sobald die Anwesenheit der Beteiligten feststeht, müssen Sie als Zeugin oder Zeuge den Verhandlungssaal bis zu Ihrer Vernehmung verlassen, sofern Sie nicht auch Nebenklägerin oder Nebenkläger sind. Für die Wartezeit gibt es sogenannte Zeugenzimmer, in denen Sie betreut und von Verfahrensbeteiligten abgeschirmt warten können.
Sprechen Sie die Polizei, Ihre gegebenenfalls Psychosoziale Proessbegleitung oder den Weißen Ring an, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen.

In der Hauptverhandlung wird zunächst die Anklageschrift vorgelesen, dann wird die/der Angeklagte zur Sache vernommen, wobei er/sie von seinem/ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen kann. Des Weiteren erfolgt die Beweisaufnahme mit Hilfe der Zeugen und Sachverständigen. Bei einer Zeugenaussage sind Sie immer zur Wahrheit verpflichtet.
Nach der Beweisaufnahme erfolgen die Plädoyers (so nennt man eine Rede, in der man noch einmal seine Argumente zusammenfassend darstellen kann) der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, das Gericht zieht sich dann zur Beratung zurück und beendet das Verfahren mit der Urteilsverkündung Rechtsmittelbelehrung. Nach einer Verurteilung kann der Angeklagte Berufung oder Revision einlegen.

Freispruch
Wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht nachzuweisen ist oder die Unschuld feststeht.

Verwarnung mit Strafvorbehalt
Es handelt sich um eine Verwarnung als Sanktion den Täter/die Täterin. Diese kann auch verbunden mit Auflagen und Weisungen sein. Das Gericht behält es ich vor, eine Geldstrafe zu verhängen, sofern der oder die Angeklagte erneut straffällig wird oder seinen Auflagen und Weisungen nicht nachgekommen ist.

Geldstrafe
Die Ahndung des Delikts erfolgt in Form einer Geldzahlung nach ergangenem Urteil oder nach einem Strafbefehl und wird in Tagessätzen bemessen. Über die Anzahl der Tagessätze entscheidet das Gericht. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der oder des Angeklagten.
Die Geldstrafe kommt nicht dem Opfer zugute. Zahlungen an das Opfer können im Täter-Opfer-Ausgleich vereinbart oder über das Zivilgerichtsverfahren geltend gemacht werden.

Freiheitsstrafe auf Bewährung
Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr werden in der Regel zur Bewährung ausgesetzt, das heißt, die oder der Verurteilte braucht die Strafe nicht anzutreten, wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nachgewiesen wurde. Die Bewährung kann unter Auflagen oder Weisungen gewährt werden – beispielsweise
den angerichteten Schaden wiedergutzumachen, Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder die Staatskasse zu leisten oder an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilzunehmen.

Freiheitsstrafe ohne Bewährung
Eine Freiheitsstrafe kann verhängt werden, wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nachgewiesen ist
Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren sind nicht zur Bewährung auszusetzen.

Die Abläufe im Strafverfahren als Erklärvideo.